Es ist Zeit für Veränderung: Mit den Projekten adlunas und Mein Bildungsraum will die SPRIND die Transformation im Bildungswesen vorantreiben. Was genau sich hinter der Bildungsmission der SPRIND verbirgt, verraten Jelka Seitz und Johannes Koska, die die Bildungsmission von Beginn an mitgestalten, im Interview.
MIT ADLUNAS MÖCHTET IHR DEN AKTUELLEN SCHULBETRIEB ÄNDERN - WARUM?
Johannes Koska: Unser Schulsystem ist in keinem guten Zustand. Schulen sind die wichtigsten Bildungsorte in Deutschland und stehen zurzeit vor vielen verschiedenen Problemen: Jeder vierte Grundschüler kann nicht mehr richtig lesen und schreiben. Wir haben einen riesigen Lehrkräftemangel. Hinzu kommen Probleme durch mangelnde Digitalisierung innerhalb des Systems bei gleichzeitig rasanter Digitalisierung im Äußeren, vor allem im Bereich der KI.
Jelka Seitz: Das System steht unter Druck. In den letzten Jahrzehnten ist einfach ein enormer Innovationsstau entstanden und das Schulsystem hat sich kaum verändert, während unsere Welt und Gesellschaft völlig anders sind. Mittlerweile geht es auch nicht mehr nur um inkrementelle Veränderungen, sondern grundlegende. Eine Transformation.
WELCHE VERÄNDERUNGEN SIND NOTWENDIG?
Johannes Koska: Schulen müssen Kinder und Jugendliche auf eine veränderte Außenwelt vorbereiten. Auf eine neue Realität, mit einem hohen Technologisierungs- und Vernetzungsgrad. Das bringt neue Chancen mit sich, aber auch Herausforderungen, wie Deep Fakes oder immer drängendere Umwelt- und Demokratiethemen...
Jelka Seitz: Schüler und Schülerinnen müssen vor allem lernen, mit dem ständigen Wandel umzugehen. Aber sie brauchen auch weitere Metakompetenzen, wie z.B. kritisches Denken oder Kreativität. Außerdem müssen wir wegkommen von der Standardisierung hin zu einer Individualisierung, damit jeder nach Bedarf und Interesse lernen kann. In unserem Projekt adlunas geht es aber nicht darum, dass Kinder und Jugendliche anders oder andere Inhalte lernen sollen, sondern darum, das Schulsystem im Transformationsprozess zu unterstützen und zu befähigen, mit den ständigen Veränderungen erfolgreich umzugehen. Denn das heutige System ist dafür gebaut, Bestehendes zu bewahren.
DAS HEISST BEI ADLUNAS GEHT ES NICHT UM BILDUNGSINHALTE?
Johannes Koska: Wir schauen bei adlunas weder auf die Pädagogik in den Schulen noch auf die Bildungsinhalte. Das ist nicht unsere Aufgabe und da gibt es auch schon sehr viel Gutes. Wir wollen uns stattdessen anschauen: Wie muss sich das System verändern – unabhängig von den Inhalten?
Jelka Seitz: adlunas wurde ins Leben gerufen, um Veränderungen und Innovationen im Schulsystem zu erleichtern. Wir schauen uns an, welche Faktoren die Umsetzung einer zeitgemäßen Pädagogik verhindern. Sowohl in der Schule als auch im Ökosystem rund um Schule. Mit Ländern, Kommunen und Schulen, die das interessiert, arbeiten wir zusammen.
WIE GENAU WILL ADLUNAS LÄNDER, KOMMUNEN UND SCHULEN BEI TRANSFORMATIONSPROZESSEN HELFEN?
Jelka Seitz: Eine Sache zuerst: Es gibt überall in den Schulen, auf allen Ebenen der Verwaltung und in der Politik, der Wissenschaft sowie außerhalb des Systems, tolle Menschen und Initiativen, die bereits sehr viel Energie in Veränderungen und Verbesserungen des Schulsystems stecken. Weil das System aber nicht mit dem Umsetzen von Neuem umgehen kann, ist es für alle, die etwas verändern wollen, unglaublich anstrengend. Viele stoßen dabei immer wieder auf dieselben Probleme, die sie aber alleine nicht bewältigen können.
Johannes Koska: Außerdem unterschätzen viele außerhalb des Schulsystems, wie hoch die Arbeitsbelastung sowohl in den Schulen als auch innerhalb der Verwaltung ist. Da macht man Neues, schon gar nicht, wenn es so schwer umzusetzen ist, einfach mal nebenher. Wir als adlunas verstehen uns als externe Kollegen, die Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung stellen und dabei unterstützen, Veränderungshürden zu identifizieren und zu bearbeiten.
WIE GEHT IHR DIE VERÄNDERUNGSHÜRDEN KONKRET AN?
Jelka Seitz: Wir fokussieren uns auf technologische und systemische Hürden. Letztere umfassen auch Organisationsthemen. Schulen werden z.B. als nachgelagerte Behörde gesehen, nicht als eigenständige Organisation, die entsprechend geführt wird. Leistungsfähige Schulsysteme im Ausland und Schulen, die sich hierzulande bereits erfolgreich transformiert haben, zeichnet das aber aus. In einem unserer ersten Projekte schauen wir auf diesen Aspekt: Wie kann man Schulen in der Transformation prozessual auf der Organisationsseite unterstützen?
Johannes Koska: Dazu zählt aus technologischer Sicht auch, wie man z.B. Verwaltungsprozesse automatisieren oder vereinfachen und grundsätzlich Entlastung ins System bringen kann. Andere Hürden ergeben sich z.B. durch rechtliche Themen. Denn durch die Transformation braucht es neue Rechtsrahmen oder Rechtsauslegungen. Dabei geht es oft auch darum, zu verstehen, welche persönlichen Risiken man eingeht. Momentan sind viele verunsichert, was erlaubt ist und was nicht. Neben Haftungsfreistellungen könnten Leitfäden helfen, die wir bei Interesse seitens der Länder oder Kommunen bzw. der Schulträger erarbeiten lassen.
Jelka Seitz: Wir sehen unsere Kernaufgabe zum einen darin, Prozesse und Formate zu etablieren, mit denen man sowohl relevante Hürden zur Veränderung identifiziert, als auch Innovationstreiber oder Initiativen, die entweder bereits Lösungen oder Lösungsideen haben. Von denen gibt es einige, oft auch abseits des Rampenlichts. Zum anderen geht es darum, dass am Ende immer Lösungen respektive Produkte entstehen, die für die jeweilige Zielgruppe tatsächlich im Alltag nutzbar sind.
ES GEHT ALSO VOR ALLEM DARUM, BEREITS EXISTIERENDE LÖSUNGEN ZU FINDEN?
Johannes Koska: Grundsätzlich kann man sagen, dass es für viele Probleme bereits Lösungen gibt. Diese sind nur nicht für alle zugänglich oder nicht so aufbereitet, dass sie im eigenen Kontext umsetzbar sind. Es mag sich für Leute aus dem Tech-Bereich sehr merkwürdig anhören, aber zum Beispiel digitale Endgeräte oder auch nur WLAN an Schulen zu bringen kann unfassbar schwierig sein – und da sprechen wir noch nicht mal von Fragen rund um den sinnvollen Einsatz von digitalen Technologien im Schulalltag. Aber an manchen Orten klappt es auch gut: Lübeck ist so ein Beispiel für gelungene Digitalisierung im Schulbetrieb. Das ist ein recht prominentes Beispiel, aber solche Beispiele lassen sich überall finden. Die Frage ist: Wie können die dort gewonnenen Erkenntnisse übertragen werden. Diesen Transfer können die Akteure nicht selbst stemmen, dafür fehlen ihnen die Ressourcen. Das ist auch eine Art von Veränderungshürde.
Jelka Seitz: Es gibt also schon sehr viel Wissen, aber oft wird das Rad immer wieder neu erfunden, allein, weil es keinen Überblick darüber gibt, was funktioniert und was nicht. Daher wird es ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit sein, aufzuzeigen, was funktionieren kann, weil es schon woanders erfolgreich gemacht wurde und dabei die Ressourcen und Kompetenzen bereit zu stellen, um es zur Nutzung für andere aufzubereiten.
DAS HEISST ADLUNAS VERSUCHT PROTOTYPISCHE INNOVATIONEN UND ENTWICKLUNGEN ALLEN IM SCHULSYSTEM ZUR VERFÜGUNG ZU STELLEN?
Johannes Koska: Ja, dabei ist es uns wichtig, immer auf Bestehendem aufzubauen, bevor wir etwas Neues machen. Zum Beispiel beim Datenschutz. Bevor wir selbst eine Übersicht oder eine Blaupause machen, in der steht, was datenschutzkonform ist und welche IT-Lösungen möglich sind, schauen wir erst einmal, ob es jemanden gibt, der sich damit schon beschäftigt hat. Manche Sachen müssen aber auch neu entwickelt werden, da sie bislang nur in Köpfen existieren.
Jelka Seitz: Generell ist uns wichtig, dass die Entwicklungen kollaborativ entstehen. Wir wollen dazu mit verschiedenen Partnern aus Schulen, Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Im Grunde sehen wir uns als Katalysator ihres Handelns.
NEBEN ADLUNAS GIBT ES SEIT KURZEM EIN WEITERES GROSSES BILDUNGSVORHABEN. DAS BMBF HAT DER SPRIND DAS PROJEKT MEIN BILDUNGSRAUM
ÜBERGEBEN. WAS GENAU IST MEIN BILDUNGSRAUM
?
Johannes Koska: Mein Bildungsraum
, davor auch bekannt als nationale Bildungsplattform
und digitale Vernetzungsstruktur Bildung
, ist ein groß angelegtes Digitalisierungsprojekt. Es ist der Versuch innerhalb des föderalen deutschen Systems, die Basis zu schaffen, dass Bildung überall digital wird. Das soll zum einen die Verwaltungsprozesse betreffen, zum anderen soll es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht werden, online Bildungsangebote zu finden, die zu ihrer persönlichen Qualifikation passen. Mit Übernahme durch die SPRIND werden wir uns zunächst einmal nur auf die Verwaltungsprozesse konzentrieren.
WARUM HAT DIE SPRIND DAS PROJEKT ÜBERNOMMEN?
Jelka Seitz: Zum einen kann die SPRIND an bestimmten Stellen einfach anders handeln, als es ein Bundesministerium kann. Außerdem ist die Lage zwischen dem Bund und den Ländern im Bildungsbereich eher angespannt. Aber wir haben nicht automatisch das Stigma, dass wir der Bund sind. Das macht es für viele leichter, mit uns zu sprechen. Zum anderen hat die SPRIND bereits in der Vergangenheit zeigen können, dass sie lösungsorientiert und als staatliches Unternehmen möglichst agil arbeitet.
WELCHE KONKRETEN ZIELE VERFOLGT DIE SPRIND BEZÜGLICH DES BILDUNGSRAUMS?
Johannes Koska: Wir werden uns zunächst auf die technische Umsetzung einer digitalen Identität, eines Wallets, in dem Bildungszertifikate gespeichert werden können, und auf ein Siegelungs- und Zertifizierungssystem konzentrieren. In Zukunft soll es möglich sein, dass Schulen direkt digitale Zeugnisse ausstellen, die signiert und zertifiziert sind. Diese sollen dann problemlos, vollständig digital an die Hochschulen weitergeleitet werden können, was den gesamten Einschreibeprozess erheblich beschleunigen wird. Langfristig sollen alle bildungsrelevanten Bescheinigungen digitalisiert werden. Bei der Umsetzung werden wir eng mit dem SPRIND-Projekt EUdi Wallet
zusammenarbeiten.
Jelka Seitz: Außerdem werden wir ein Betriebs- und Betreiberkonzept entwickeln. Denn selbst wenn die technischen Lösungen heute schon funktionieren würden, gibt es noch kein Konzept, wie die Umsetzung im Rahmen der föderalen Struktur langfristig funktionieren kann. Wir werden daher viele Bund-Länder-Gespräche, aber auch Dialoge mit der Zivilgesellschaft führen, um eine gemeinsame Lösung für Politik, Verwaltungen, Kommunen und Schulen zu finden.
WAS KOMMT DANACH?
Johannes Koska: Wir werden jetzt erstmal unsere Hausaufgaben machen, indem wir uns auf diesen Anwendungsfall konzentrieren. Natürlich haben wir aber noch viele weitere Ideen. Zu gegebener Zeit werden wir darüber sprechen.
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