WIDERSTAND MIT KÖPFCHEN
MIT MEMRISTOREN DIE ANWACHSENDE DATENFLUT SPEICHERN UND VERARBEITEN

Die Innovatorin: Heidemarie Schmidt, leidenschaftliche Forscherin und unverhofft Unternehmerin.

Der Netzwerker: Stephan Krüger, Physiker, Technologietransfer-Manager und Unternehmer.

Heidemarie Schmidt
Stephan Krüger
Wissenschaft kann ein langwieriges Geschäft sein – und längst nicht jeder plant, überhaupt Geschäftsmann oder -frau zu werden, erst recht nicht im Deeptech-Bereich der elektronischen Schaltungen. So sind diese traditionell mit verschiedenen aktiven und den drei passiven, elektronischen Bauelementen Spule, Kondensator und Widerstand aufgebaut, die die Messgrößen Strom, Spannung, Ladung und magnetischer Fluss verknüpfen. Jedoch postulierte der Physiker Leon Chua bereits im Jahr 1971, dass aus Symmetrie-Gründen ein viertes, passives elektronisches Bauelement existieren muss, welches direkt die Ladung und den magnetischen Fluss miteinander verknüpft. Eine Besonderheit dieses Bauelements sollte auch sein, dass es ein „Gedächtnis“ für die geflossene Ladung und für den erzeugten magnetischen Fluss hat. Chua nannte dieses Bauelement Memristor, ein Kunstwort aus Speicher (Englisch: memory) und Widerstand (Englisch: resistor). Lange gab es viele Lösungsansätze, die als memristive Bauelemente gezählt werden können, doch einen Memristor, der digitale und analoge Daten speichert und selbst im Bauelement rechnet, gab es bisher so nicht, bis Prof. Dr. Heidemarie Schmidt und ihr Team am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf an magnetischen Eigenschaften von Materialien forschten – und dabei 2011 ein eisenbasiertes Material, das den von Chua beschriebenen Eigenschaften entsprach, entdeckten.
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Während Heidemarie Schmidt den Fund im Rahmen eines Heisenberg-Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft untersuchte und weiterentwickelte, traf sie im Jahr 2016 auf Stephan Krüger, der nach anderthalb Jahrzehnten in der Halbleiterindustrie seit 2015 beim Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf als Manager für Technologietransfer tätig ist. „Es gibt bei Helmholtz viele tolle Patente, doch ihre stachen heraus. Wir tauschten uns aus und recht schnell war klar, dass wir daran gemeinsam weiterarbeiten würden“, berichtet der Physiker.

„Der Memristor ist ein Bauelement mit einem bestimmten Widerstand, den man messen und gezielt verändern kann. Sein Verhalten ist dem einer Synapse im Gehirn ähnlich, ein Bauelement mit Erinnerungswert. Unser TiF-Memristor rechnet zertifizierbar, also transparent, wiederholbar und vertrauenswürdig, und merkt sich das Rechenergebnis.“
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Schnell sind Heidemarie Schmidt und Stephan Krüger zu einem perfekten Team avanciert, sie die passionierte Forscherin, die Anwendungen entwickelt, er der Halbleiterexperte und versierte Netzwerker, der im Hintergrund die Fäden spinnt und das Ganze größer denkt: raus aus dem Labor, rein in die hochskalierte Fertigung und in die Wirtschaft. Durch die von Krüger initiierte Bewerbung bei der SPRIND kam weiter Tempo in die Angelegenheit. 2021 startete die Validierung des Projekts, bei der sich zeigte, dass der Memristor den Anforderungen an ein Speichermedium entspricht – und sogar besser ist, nämlich digitale sowie analoge Daten speichern kann.

Den Weltmarkt erobert man am besten mit einer eigenen Firma, dachten Schmidt und Krüger, und gründeten die TECHiFAB, um die neuen Bauelemente für ressourceneffiziente elektronische Schaltungen herzustellen, die Massenproduktion vorzubereiten, Applikationen zu entwickeln und zu vertreiben. In der SPRIND Challenge New Computing Concepts von 2022 bis 2023 erprobten die Wissenschaftler:innen der TECHiFAB neue Technologien rund um neuromorphe Rechnerstrukturen. Im Frühjahr 2023 folgte schließlich die Gründung der SPRIND-Tochter MemLog. Sowohl mit dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf als auch mit weiteren Forschungsinstitutionen wird eng zusammengearbeitet.
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Fusion von Speicher und Prozessor: Der TiF-Memristor kann rechnen, Daten verarbeiten – und eine völlig neue Rechnerarchitektur begründen.

Der Bedarf für die neuen elektronischen Bauelemente ist immens: Herkömmliche Rechnerarchitekturen stoßen längst an ihre Grenzen und verbrauchen enorm viel Energie durch das Speichern der Daten. Bisher erhöhte sich der Energiebedarf für Rechentechnik durch die exponentiell zunehmende Verwendung von Geräten im Zehnjahrestakt um den Faktor 1,38, beispielsweise im Zeitraum von 2010 bis 2020 von 1,67 auf 2,31 Petawattstunden. Für das Jahr 2030 wird ein Energiebedarf für KI-Rechentechnik von 3,18 Petawattstunden prognostiziert. Ein Großteil des Energiebedarfs der Rechentechnik wird innerhalb der Prozessoren zwischen Speichern und Kernen für den kontinuierlich stattfindenden Datentransfer benötigt, der zugleich die Rechenleistung massiv bremst. So verzehnfacht sich seit 2010 jedes Jahr die Rechenzeit zum Trainieren komplexer KI-Netzwerke. All das werden neue, neuromorphe Rechenarchitekturen durch den Einsatz von Memristoren, in denen die Funktion des Speichers und die des Prozessors im selben Bauelement vereint wird, umgehen.

„Wenn es uns gelingt, unsere Produktion in Sachsen, Deutschland und Europa zu etablieren und zu halten, dann besteht vor Ort die Chance auf eine Spitzentechnologie, die uns wirtschaftlich voranbringt, die positiven Einfluss auf die Umwelt, auf die Natur und Gesellschaft hat und die uns in die Lage versetzt, die exponentiell anwachsende Datenmenge auch ressourceneffizient zu verarbeiten“, erklärt Heidemarie Schmidt. Von sich selbst sagt die Physikerin, die 2017 von der Universität Jena als Professorin für Festkörperphysik mit dem Schwerpunkt Quantendetektion berufen wurde, dass sie schon immer einen großen Forscherdrang verspürt habe, aber – wie so viele Wissenschaftler:innen – nie auch nur ans Gründen gedacht hätte; das Labor war ihr immer genug. Umso glücklicher ist sie heute, dass ihre Entdeckung nun den Weg in die Anwendung finden wird, zeitnah in der Edge Sensorik für Quantendetektion und perspektivisch im Edge Computing für neuromorphe Rechnerarchitekturen. Dieses Gefühl teilt sie mit Technologietransfermanager Stephan Krüger:
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„Es kommt nicht oft im Leben vor, dass man eine solche Technologie finden und am Weltmarkt etablieren kann – jetzt sogar gemeinsam mit der SPRIND.“

Nun gilt es für die MemLog und für die TECHiFAB, die Memristor-Hardware zu entwickeln und damit neue Applikationen auf den Markt zu bringen. Dazu möchte das sympathisch-zurückhaltende Gründerduo auf Partnerschaften mit denen setzen, die nur auf die Memristor-Technologie gewartet haben: „Wir sprechen all jene an, die ihre Applikationsideen für KI testen möchten – in Hardware und in Echtzeit – erst in kleinen Stückzahlen und perspektivisch hochskaliert. Erste Bauteile dafür gibt es schon. Kollaborationen zu begründen und Erstanwender zum Beispiel in der Automobil-Industrie, im Fahrzeug- und Maschinenbau, in Medizin- oder Messtechnik, Energieversorgung oder Halbleiterherstellung zu finden, gehört zu unseren großen Zielen“, bekräftigt Heidemarie Schmidt.
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SPRIND UND MEMLOG

DARUM ENGAGIEREN WIR UNS
Weil mithilfe von TECHiFABs (TiF) Memristor bestehende Einschränkungen überwunden und neue Grundsteine für höhere Rechenleistung und Energieeffizienz gelegt werden.
Weil der TiF-Memristor nicht nur das Potential hat, die aktuelle Von-Neumann-Architektur zu ergänzen, sondern zudem die Rechenarchitektur der Zukunft ermöglicht.
Weil der TiF-Memristor das Potential hat, eine Vielzahl von Innovationen in verschiedenen Märkten zu begründen.

DAS MACHEN WIR KONKRET
Aus dem Forschungsprojekt ein Unternehmen.
Den Entwickler:innen sollen der Raum und die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um die Memristor-Technologie weiterzuentwickeln.

SCHLÜSSELTECHNOLOGIE IN EUROPA AUFBAUEN
Mithilfe der TiF-Memristor-Technologie soll eine Schlüsseltechnologie in Deutschland aufgebaut und damit der Innovationsstandort Deutschland gefördert werden.

NETWORKING UND GRÖSSER DENKEN
Die SPRIND setzt auf ihr eigenes breit aufgestelltes Expert:innennetzwerk, um TECHiFAB zu unterstützen. Mit ihren vielfältigen Kontakten zu Partner:innen und Anwender:innen treibt die SPRIND das Projekt voran und trägt dazu bei, die Technologie schnellstmöglich in Anwendungen umzusetzen.