In der Forschung braucht es häufig einen langen Atem. Das gilt vor allem für die Entwicklung neuer Medikamente, wo nicht nur die Entwicklung im Labor, sondern auch die stetig zunehmenden behördlichen Auflagen und Vorschriften Zeit und Geld kosten. Diese Erfahrung mach(t)en auch Prof. Dr. Gundram Jung und Prof. Dr. Helmut Salih in den vergangenen 35 Jahren. Jung beschäftigt sich bereits seit Anfang der 80er Jahre mit der Immuntherapie von Krebs. Im Mittelpunkt stehen dabei Antikörperkonstrukte, die in der Lage sind, T-Zellen als effektivste Zellen des Immunsystems gegen Tumorzellen zu rekrutieren. In den 90ern stieß Helmut Salih dazu, als er als Assistenzarzt an einer klinischen Studie mit von Jung entwickelten bispezifischen Antikörpern mitwirkte. „Mich hat dieser Ansatz sofort überzeugt, und es ist großartig, dass ich schon vor 25 Jahren dabei sein durfte, als wir Gundram Jungs bispezifische Antikörper bei einigen Patienten mit Leukämie und Glioblastom eingesetzt haben – und zwar durchaus mit Erfolg“, erinnert sich Salih, heute Ärztlicher Direktor und Professor für Translationale Immunologie am Universitätsklinikum Tübingen und Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

BISPEZIFISCHE ANTIKÖRPER KÖNNEN T-ZELLEN STIMULIEREN UND GEZIELT AUF KREBSZELLEN LENKEN

„Es ist erfreulich zu sehen, dass die T-Zell-basierte Immuntherapie mittlerweile fest in der Krebsmedizin verankert ist. Sogenannte Checkpoint-Hemmer, CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper sind zu einem Eckpfeiler bei der Behandlung zahlreicher Krebserkrankungen geworden und selbst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien wirksam. Diese Ansätze benutzen Antikörper entweder dafür, die T-Zellen direkt oder indirekt zu stimulieren oder sie gezielt auf Krebszellen zu lenken. Bispezifische Antikörper können beides und sind deshalb besonders vielversprechend. Allerdings erzielen sie zurzeit – wie die anderen genannten T-Zell-rekrutierenden Strategien auch – nur bei bestimmten Krebsarten und in wenigen Patienten dauerhafte Erfolge“, erzählt Gundram Jung. „Die Schwierigkeiten beginnen mit der scheinbar einfachen Frage, wie man die Immunzellen dazu bringen kann, in ausreichender Zahl das Blutgefäßsystem zu verlassen und in einen soliden Tumor einzuwandern. Wir unterstützen diesen Prozess, in dem wir unsere Antikörperkonstrukte gegen ‚Zielmoleküle‘ richten, die nicht nur auf Tumorzellen selbst, sondern auch auf den speziellen Blutgefäßen des Tumors exprimiert sind. Dadurch erreichen wir den erforderlichen Einstrom von T-Zellen“, führt Salih aus.

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Eine zweite wesentliche Verbesserung, die die Strategie von Salih und Jung ermöglicht, betrifft die Effizienz und Dauer der T-Zell-Aktivierung. Es ist schon seit über 30 Jahren bekannt, dass die Natur bei der Aktivierung von T-Zellen, quasi aus Sicherheitsgründen, so etwas wie ein Zwei-Schlüssel-Prinzip verwendet, das heißt, es müssen zwei unterschiedliche Eiweißmoleküle auf der Zelloberfläche mehr oder weniger gleichzeitig stimuliert werden, ein erster antigen-spezifischer und ein zweiter kostimulatorischer Rezeptor. Fehlt das zweite, kostimulierende Signal, dann ist die Aktivierung relativ kurz und wird schnell wieder „abgeschaltet“. Die beteiligten Rezeptoren können mit Antikörpern – oder in CAR-T-Zellen – gezielt manipuliert werden. Während moderne CAR-T-Zellen mit beiden Signalen ausgestattet (und erst seitdem klinisch effektiv) sind, können die verfügbaren bispezifischen Antikörper bisher nur das Erstsignal simulieren. „In Tübingen haben wir eine spezielle Kombination von bispezifischen Antikörpern entwickelt, die sowohl das Erstsignal als auch das zweite Signal stimulieren. Dadurch dass die beiden in Kombination verwendeten bispezifischen Antikörper funktionell voneinander abhängig sind und zwei verschiedene Zielantigene auf Tumorzellen und -gefäßen erkennen, schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, erläutert Jung.

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ZWEI ZIELANTIGENE UND ZWEI SIGNALE: TWYCE

Die beiden Zielantigene sind gemeinsam auf den Tumorzellen vorhanden, kommen jedoch auf gesunden Geweben nicht gleichzeitig vor. Somit wird zum einen eine überlegene Tumorspezifität erreicht, zum anderen mit der Doppelstimulation der T-Zellen eine verbesserte, weil anhaltende Effektivität der Immunantwort.

„Nach jahrzehntelanger Arbeit denken wir, dass wir mit unserem Konzept einen Quantensprung bei der Therapie mit bispezifischen Antikörpern erzielen können“, berichtet Helmut Salih. „Allerdings ist seit den ersten Schritten in den 90ern ein neues Problem aufgetaucht: der stetig zunehmende regulatorische Aufwand, der sowohl für Herstellung als auch die klinische Erprobung erforderlich ist und den Weg neuer Medikamente wie unserer Antikörper vom Labor zum Patienten erheblich verlangsamt. Umso mehr freue ich mich, dass wir in der Klinischen Kooperationseinheit Translationale Immunologie am Universitätsklinikum Tübingen mit dem DKFZ Heidelberg diesen Prozess angehen und mittlerweile mehr als zehn neue Therapiekonzepte in klinischen Studien erproben.“ Für alle Schritte des Herstellungsprozesses und der Durchführung klinischer Studien gibt es im Team engagierte Mitarbeiter mit jahrelanger einschlägiger Erfahrung. Um den Herstellungsprozesses kümmert sich, als gelernter Pharmazeut, Dr. Martin Pflügler, die Durchführung der klinischen Studien organisiert Dr. Jonas Heitmann, Internist und Onkologe.

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2019 wurde eine erste Studie mit einem bispezifischen Antikörper, der das Signal 1 liefert, bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom gestartet. Die Patienten sprachen an, allerdings nur kurz. Basierend auf den Ergebnissen wird der Antikörper seit Ende 2022 bei Patienten mit einem sogenannten biochemischen Rezidiv des Prostatakarzinoms und somit geringer Tumorlast eingesetzt. Bei ihnen kann eine relativ kurze Aktivierung der T-Zellen für einen wirksamen Antitumoreffekt ausreichen. Für Patienten in fortgeschrittenem Stadium ist eine Studie geplant, bei der dieser Antikörper erstmals in Kombination mit einem bispezifischen Kostimulator (BiCo) eingesetzt wird, der das Zweitsignal liefert und so die Dauer der T-Zell-Aktivierung deutlich verlängert. Diese Studie soll 2024 beginnen. Weitere bispezifische Antikörper, die die Behandlung anderer Krebsarten, wie des Darms oder der Lunge, allein und in Kombination mit weiteren BiCos ermöglichen sollen, sind in fortgeschrittenen Entwicklungsphasen.

Das alles ist aber alleine mit öffentlichen Mitteln nicht zu bewältigen. Deshalb haben Salih, Jung und Pflügler vor kurzem die TWYCE GmbH gegründet. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen und der im Mai 2023 gegründeten SPRIND-Tochter BiconY tritt das Team nun einmal mehr an, die bestehenden Hürden zu überwinden und das große Ziel zu erreichen, dem Krebs den Kampf anzusagen.

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„Gundram Jung und ich wollten immer wie Paul Ehrlich sein: Medikamente entwickeln und direkt als Arzt in die Klinik zum Patienten bringen. Das dazu benötigte Kapital ist heutzutage letztlich nur mehr über eine Firmenausgründung einzuwerben, und wir freuen uns, dass uns die SPRIND auf diesem Weg unterstützt."

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DARUM ENGAGIEREN WIR UNS Weil uns das Wohl der Patient:innen am Herzen liegt. Weil es nach jahrelanger und intensiver Forschung gelungen ist, eine erfolgsversprechende Plattform zu entwickeln, die das Potential hat, vielen Patient:innen zu helfen. Weil wir daran glauben, mit diesem Ansatz solide Tumore erfolgreich behandeln zu können.

DAS MACHEN WIR KONKRET Toxizitätsstudien durchführen. Klinische Phase-I-Studie zur Testung der Wirksamkeit von unserer innovativen Wirkstoffkombination in Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom vorbereiten und durchführen. Klinische Phase-I-Studie an Patient:innen mit metastasiertem Lungenkarzinom vorbereiten und durchführen. Neue und innovative Wirkstoffkombinationen für weitere solide Tumorerkrankungen entwickeln. Wissenschaftliche Ergebnisse sammeln und der Gesellschaft zugänglich machen.

QUANTENSPRUNG IN DER KREBSIMMUNTHERAPIE Am Ende des Vorhabens soll eine Pipeline mit potentiell bahnbrechenden Wirkstoffen für die Arzneimittelentwicklung zur Bekämpfung solider Tumore zur Verfügung stehen.

DAS IST DAS POTENTIAL, DAS WIR SEHEN Neue Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatienten und Ablösung von nebenwirkungsreichen Standardtherapien.

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