Immer mehr Wertschöpfung findet mithilfe von Softwaretechnologie statt. Vor diesem Hintergrund steckt die Industrie in Europa in einem komplexen IT-Dilemma - mit technischen, ökonomischen, rechtlichen und sozialen Dimensionen. Firmen und Private müssen sich entscheiden: Entweder sie betreiben weiter altmodisch-europäische IT - mit eigenen Rechenzentren, Serverräumen, aber auch mit langwierigen Bestell-, Genehmigungs-, Implementierungs- und Change-Managementprozessen. Das schützt die Daten, ist aber träge und teuer. Oder sie modernisieren sich infrastrukturell mithilfe der großen amerikanischen oder chinesischen Cloud-Lösungen. Denn immer mehr Wertschöpfung ist gar nicht mehr ohne diese Anbieter denkbar oder findet nur direkt durch diese statt. Das aber heißt: Man gibt die Kontrolle über seine Daten komplett auf und macht sich abhängig, was rechtlich, strategisch und ökonomisch ein massives Problem darstellt.
Die europäische Politik hat mittlerweile erkannt, dass es dringend eine technisch-ökonomisch-rechtlich-soziale Lösung für Europa braucht. Sie will deshalb mithilfe von GAIA-X IT-Strukturen aufbauen, welche die europäischen Werte „Transparenz“ und „Datenschutz“ sicherstellen, digitale Souveränität ermöglichen und damit eine echte Alternative schaffen.
DIE ERSTE KOLLABORATIVE CLOUD-INFRASTRUKTUR
Sovereign Cloud Stack (SCS) heißt diese europäische Alternative: Es ist die erste kollaborative Cloud-Infrastruktur - mit Computern, Speichersystemen, Netzwerken und Daten, unter europäischer Kontrolle. Kein Nachbau, kein Imitat der großen außereuropäischen IT-Plattformtechnologien, sondern ein eigenes, sprunginnovatives Projekt.
Die Initiatoren der SCS stellten sich die entscheidende Frage: Wie können wir Transparenz, Gestaltungsmöglichkeiten und Kontrolle herstellen, um Wertschöpfung via IT zu ermöglichen? Die simple Antwort lautet: Open Source. Denn Sovereign Cloud Stack bedeutet: Man nutzt existierende und reife Open-Source-Technologien, baut diese vielen Technologien zu einer konsistenten, modularen, zuverlässigen, gut getesteten und betreibbaren Plattform zusammen - und lässt sie von Communities in einem offenen Prozess weiter entwickeln, inklusive Open Operations als Weiterentwicklung der Open-Source-Idee im DevOps-Zeitalter. Also: Alles wird als Open-SourceSoftware entwickelt. Und dank zertifizierbarer Standards, intelligenter Vernetzung, dem konsequenten Aufbau einer SCS-Community und echter Nutzerföderierung kann der SCS eine große, effiziente, innovative Plattform kreieren.
VIELE FRAGEN, EINE VALIDIERUNG
Die SCS-Idee wurde von Mitgliedern der Open Source Business Alliance e. V. und ihrem Vorstandsvorsitzenden Peter Ganten entwickelt. Mit PlusServer und dem damaligen CEO Dr. Oliver Mauss fanden sie den idealen Vorreiter für die Entwicklung eines solch innovativen IT- Ökosystems. Folgenden Fragen galt es auf den Grund zu gehen: Bekommt man eine Community aufgebaut? Ist SCS technologisch mit den vorhandenen Open-SourceTechnologien umsetzbar? Geben die Cloud- betreiber auch tatsächlich Betriebswissen weiter? Können sie sich auf Technologiestandards einigen? Ist eine Föderierung gewünscht? Erreicht man eine kritische Masse an Unterstützer:innen? Wie kann man das Projekt strukturieren, sodass es nachhaltig durch kommerzielle Interessen getragen wird - ohne dass nur wenige Unternehmen mit ihren wirtschaftlichen Eigeninteressen dominieren und neue Abhängigkeiten entstehen? Um all das zu klären, erteilte die SPRIND einen Validierungsauftrag. Ein Experten-Trio bestehend aus Dirk Loßack, Christian Berendt und Kurt Garloff prüfte das SCS-Konzept im Sinne eines Reallabors - mit vielversprechenden, positiven Resultaten.
GESAMTGESELLSCHAFTLICHE RELEVANZ: DAS BMWK STEIGT EIN
Ein Ergebnis der Validierung: Die SPRIND ist als Förderer nicht mehr nötig und zieht sich zurück. Denn seit Mitte 2021 wird der SCS zu 100 Prozent vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, zuvor BMWi) unterstützt. Es entsteht also eine starke, neutrale, im gesamtgesellschaftlichen Interesse arbeitende Instanz. Getragen wird der SCS nun von einem etablierten Wirtschaftsverband, der Open Source Business Alliance (OSBA). Angestellte Mitarbeiter:innen, die wachsende, freiwillig arbeitende Community sowie beauftragte Unternehmen können den Fortschritt ab sofort in etablierten Strukturen sicherstellen.
DIE TECHNOLOGIE BEWEIST SICH IM ECHTEN LEBEN
Inzwischen engagieren sich diverse Unternehmen bei der Entwicklung von SCS und belegen, dass sie darin eine zukunftsbasierte Cloud-Infrastruktur und spannende Business-Cases sehen. Seit der Validierung wächst die Community kontinuierlich und freut sich jedes halbe Jahr wieder über ein neues SCS-Release. Nach der PlusCloud Open und der Betacloud startete im September 2022 eine dritte komplett SCS-basierte Public Cloud in den Markt. Auch die Gaia-X Federation Services setzen komplett auf SCS-Technologien.
Klar ist dabei: Die Erkenntnisse und Strukturen, die in der durch die SPRIND beauftragten Validierungsphase erarbeitet wurden, tragen das Projekt und seine wichtige Idee weiterhin: viele kleine und mittelgroße Cloud-Anbieter, die offen und einsehbar zusammenarbeiten, kompatibel sind, deren Lösungen gemeinschaftlich genutzt werden und die gemeinsam Mehrwert schaffen. Ein solches IT-Ökosystem aus Dienstleistern und Nutzer:innen bietet große Chancen für nachhaltige, selbstbestimmte und Souveränität fördernde Plattformen - weit über das SCS-Projekt hinaus.