Wie kritisch eine funktionierende Infrastruktur für unser Leben ist, bemerken wir häufig erst, wenn sie nicht mehr funktioniert. Im Digitalen gibt viele Beispiele dafür: Der 2014 entdeckte Heartbleed-Bug, Probleme in der Datenerfassung und in mangelhaft digitalisierten Verwaltungsstrukturen in der Corona-Pandemie oder die 2021 entdeckte massive Schwachstelle Log4j. Diese Probleme zeigen, wie weitreichend die Abhängigkeiten und wie großflächig die Auswirkungen auch von Software-Infrastruktur auf Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sind. Ein Fakt, den Fiona Krakenbürger und Adriana Groh nicht länger hinnehmen wollen: Mit ihrem Fokus auf Nachhaltigkeit und Diversität in der Technologieentwicklung sowie demokratischen Innovationen treten sie für die digitale Souveränität Europas ein.
„Ohne funktionierende Infrastruktur gelingt auch keine Innovation. Denn insbesondere innovative digitale Technologien sind so gut wie nie von Grund auf neu“, erklärt Fiona Krakenbürger, die über langjährige Erfahrung im Open Source-Funding verfügt, die sie unter anderem im Open Technology Fund in Washington D. C. gesammelt hat. „Es werden stets existierende Softwarekomponenten verwendet oder bestehender Code ausgebessert und angepasst, um darauf aufbauend neue Anwendungen zu schreiben.“ Die Nutzung von solchen offenen digitalen Basistechnologien, kurz ODB, kann somit Neu- und Weiterentwicklung stark vereinfachen und die Entwicklungskosten senken, da auf die Vielzahl von Modulen und Code-Bibliotheken zurückgegriffen werden kann. Damit lässt sich durch ordentliche Infrastruktur-Instandhaltung die Innovationskraft und das Entwicklungstempo erhöhen, welches vor allem entscheidend ist, um disruptive Technologien zu entwickeln.
Adriana Groh, ehemalige Leiterin des Prototype Fund, einem Programm für Innovationsförderung im Bereich Open Source-Software, und Fiona Krakenbürger, die dort ebenfalls tätig war, begannen daher mit der Arbeit an einem Förderprogramm für ODB im Rahmen einer Machbarkeitsstudie. Diese wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz durchgeführt und zeigt im Bereich Open Source viele Defizite, aber auch Potentiale auf. „Die Pflege von offenen digitalen Basistechnologien, von denen sehr viele Anwendungen und Produkte abhängig sind, ist zu häufig die ehrenamtliche Arbeit Einzelner“, berichtet Fiona Krakenbürger. ODB sind von zentraler Bedeutung für eine innovative Wirtschaft und sichere Verwaltung, denn sie sind in der gesamten Lieferkette vielfach verbaut. Beispiele für solche Basistechnologien sind Code-Bibliotheken oder standardisierte Protokolle, die von Entwickler:innen benutzt werden, um Anwendungssoftware zu schreiben und sicherzustellen, dass diese funktioniert.
„So entsteht ein strukturelles Problem: Dadurch, dass ODB in guter Qualität durch leichte Verfügbarkeit und Lizenzen in zahlreichen Systemen verbaut werden, wird ihre Skalierung häufig größer, als es die Ressourcen der Code-Entwickler:innen zulassen“, erläutert Adriana Groh. „Offene digitale Basistechnologien sind als digitales öffentliches Gut und als Teil einer digitalen Daseinsvorsorge zu verstehen.“ Sie entziehen sich einer individuellen Zuständigkeit und das sogenannte Trittbrettfahrerproblem entsteht: Jede:r Nutzer:in geht davon aus, dass sich jemand anderes darum kümmern wird, das Gut weiter zur Verfügung zu stellen bzw. es zu pflegen. „Um diese negativen Effekte auszugleichen und ein solides digitales Fundament für die Zukunft zu stärken, brauchen wir gezielte Investitionen.“
Die Lösung, die die Machbarkeitsstudie nahelegt: Der Sovereign Tech Fund, der genau dies übernehmen soll und von Krakenbürger, Groh und weiteren Mitstreiter:innen konzipiert wurde und nun von der SPRIND unterstützt wird. Die Sorge um und der Wunsch nach besserer Pflege der digitalen Infrastruktur wird international in Open Source-Communities diskutiert und das Wissen aus diesem Netzwerk, zum Beispiel die Arbeit der Technikforscherin Katharina Meyer und die Erfahrungen von Felix Reda, ehemaligem Mitglied des Europaparlaments und Fellow an der Harvard University, ist in die Entstehung des Sovereign Tech Fund eingeflossen.
„Indem ein langfristig resilientes und nachhaltiges Open Source-Ökosystem unterstützt wird, kann die Entwicklung und Wartung von relevanten Softwarekomponenten verbessert und damit Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft sowie eine effiziente Verwaltung und handlungsfähige Zivilgesellschaft gestärkt werden“, führt Fiona Krakenbürger aus. Das Ziel der digitalen Souveränität, also der selbstbestimmten Nutzung und Gestaltung digitaler Technologien und Systeme durch Individuen, private Organisationen und den Staat, ist ohne ein robustes Open Source-Ökosystem nicht zu erreichen. Offene Digitale Basistechnologien sind hierbei von besonderer Wichtigkeit. „Wir müssen die Gestaltung und Pflege unserer digitalen Infrastruktur als öffentliche Aufgabe begreifen“, sagt Adriana Groh, „denn nicht nur in Krisen ist es zukunftsentscheidend, dass unsere Infrastruktur resilient und zugänglich ist. Die Effektivität und Schnelligkeit unserer Innovationen hängt immer davon ab.“
Mehr zum Sovereign Tech Fund: sovereigntechfund.de
DARUM ENGAGIEREN WIR UNS Weil Offene Digitale Basistechnologien die Grundlage von Innovation und digitaler Handlungsfähigkeit bilden. Weil die Stärkung des Open Source-Ökosystems für eine digitale und souveräne Gesellschaft unerlässlich ist. Weil sichere digitale Infrastruktur als Aufgabe der digitalen Daseinsvorsorge verstanden werden muss.
DAS MACHEN WIR KONKRET Wir inkubieren den Sovereign Tech Fund. Wir investieren in Offene Digitale Basistechnologien in einer Pilotrunde.
DAS IST DAS POTENTIAL, DAS WIR SEHEN Eine starke digitale Grundlage für die Zukunft. Digitale Souveränität für Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung in Europa. Eine nachhaltige und effiziente Nutzung Offener Software. Ein sicheres und vitales Open Source-Ökosystem ermöglicht Innovation, neue Geschäftsmodelle und nachhaltig nutzbare Ressourcen für alle.
OFFENHEIT, NUTZBARKEIT UND SICHERHEIT Wir wollen mit dem Sovereign Tech Fund die selbstbestimmte Nutzung und Gestaltung digitaler Technologien absichern.
Vom 12. Dezember 2022
Was ist technologische Souveränität? Welche Rolle spielt dabei Open-Source-Software? Und sollte der Staat die Entwickler:innen von offenen digitalen Systemen finanziell unterstützen? Unser Host Thomas Ramge spricht mit Adriana Groh, Mitgründerin des Sovereign Tech Fund.