Bernd Ulmann ist ein Passionsdenker und -täter. Schon seit Teenagerzeiten fasziniert von Analogrechnern, scheint sich sein Enthusiasmus immer weiter zu verstärken. Sein Haus ist halb Werkstatt, halb Museum, randvoll mit zum Teil riesigen Analogrechnern, Lötstationen, Mikroskopen. Seine Frau toleriere das und „wohne netterweise woanders“. Man sehe sich aber täglich und liebe sich sehr, beruhigt Ulmann.
Der Tag hat zu wenige Stunden für den FH-Professor, Museumsdirektor, Sammler, Reparateur und Vaxman, wie er in der Szene genannt wird (nach dem legendären Computer VAX). Für ihn kann es nur analog geben. Digital ist unterkomplex und auch nicht menschlich genug. Denn: Ein normaler digitaler Computer arbeitet programmgesteuert, durch einen Algorithmus, d.h. er führt einzelne Schritte aus, arbeitet diese nacheinander ab. Ein Analogrechner kennt keine Schritt-für-Schritt-Ausführung, alle Rechenelemente arbeiten hier parallel. Im Prinzip so wie ein Nervensystem, wie das menschliche Gehirn. Ganz biologisch. Nichts in der Biologie kann es sich leisten, sequenziell zu rechnen. Die Zukunft sind deshalb Analogrechner, erklärt Ulmann mit vaxmanischer Vehemenz.
DIE INNOVATION: ANALOGRECHNER AUF EINEM CHIP
Das Problem mit herkömmlichen digitalen Rechnern, betont Ulmann, ist also, dass sie zu viel Energie verbrauchen und an physikalische Grenzen stoßen. „Klassisches Rechnen ist an ein Ende gekommen. Wir brauchen neue Ideen für High-Performance Computing – und genauso für energieeffizientes Computing.“
Ulmanns Traum und Ziel lautet deshalb: einen Analogrechner zu bauen, der schneller ist als jeder Digitalcomputer und dabei nur ein Minimum an Energie schluckt. Die eigentliche Innovation ist, den Analogrechner auf einen Chip zu bringen, so wie wir heute Digitalrechner auf einem Chip haben, und neben der Minimalisierung die Möglichkeit, den Analogrechner gesteuert durch einen Digitalrechner zu programmieren: Es geht darum, einen Analogrechner auf einem Chip von der Größe einiger weniger Quadratmillimeter zu entwickeln. So wie wir heute Digitalrechner auf einem Chip haben. Ein Sprung, der die Signalverarbeitung in Handys oder medizinischen Implantaten, z.B. für Hirnschrittmacher, revolutioniert.
Laut Ulmann ist das keine Magie, sondern möglich. Für die Realisierung gründete Bernd Ulmann gemeinsam mit Visionären aus verschiedenen Branchen die anabrid GmbH.
Mehr als zwei Jahre hat SPRIND das Projekt „Analogcomputer auf einem Chip“ inkubiert. SPRIND stellte mit Validierungsaufträgen die erste Finanzierung zur Entwicklung des Projekts bereit und erarbeitete gemeinsam mit dem Team eine Roadmap für den Analogcomputer auf einem Chip. Anschließend sollte das Projekt durch die Gründung und Finanzierung der SPRIND-Tochtergesellschaft Analog Intelligence vorangetrieben werden.
Mit intensiver Unterstützung der SPRIND entwickelte die anabrid GmbH ein erstes Produkt zum Kennenlernen der Analogtechnologie für Forschung und Lehre sowie interessierte Geeks: „The Analog Thing“, kurz THAT. Dabei handelt es sich um einen kostengünstigen Open-Source- und Open-Hardware-Analogcomputer. THAT wurde bereits den elf Millionen Abonnenten des populären Wissenschaftskanal „Veritasium“ vorgestellt.
Im Herbst 2021 konnte SPRIND anabrid im Kontext des Konjunkturprogramms für Quantencomputer in Ulm vorstellen. Als Teil der Quanteninitiative des Instituts für Quantentechnologien am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und unterstützt von der SPRIND wird die anabrid ihre Technologie für die Erforschung von Quantentechnologien sowie zur Erforschung hybrider Rechnerarchitekturen zur Verfügung stellen.
Aufgrund der vorliegenden Doppelförderung mit dem DLR können die ursprünglichen Pläne der Analog Intelligence GmbH nicht weiter umgesetzt werden. Deswegen haben die beteiligten Parteien im Juni 2022 einvernehmlich entschieden, dass die Analog Intelligence GmbH ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeit nicht wie geplant weiterführt und die anabrid GmbH sich stattdessen voll auf den Auftrag des DLR konzentriert.