Im Sommer 2022 hat SPRIND zur Bewerbung für die New Computing Concepts Challenge aufgerufen. In der ersten Stufe dieses internationalen Innovationswettbewerbes werden von 14 Teams neue Computing-Konzepte entwickelt, die ab Mitte 2023 in der anschließenden zweiten Stufe mittels Hardware implementiert werden sollen.
Die Herausforderung besteht darin, mithilfe der SPRIND neue Computing-Ansätze zu entwickeln, die eine signifikante Reduktion im Ressourcenverbrauch bezogen auf Energie, Zeit oder Platz versprechen, oder Fragestellungen anzugehen, die bisher gar nicht durch Computer lösbar sind.
In die digitale Welt der Zukunft werden – kaum wahrnehmbar für den Menschen – Schwärme künstlicher Gehirne eingewoben sein, die den Alltag und die Arbeitswelt um uns herum unterstützen. Daten aus unzähligen Sensoren und Aktoren werden durch kleinste Rechner ausgelesen, verarbeitet, über ein Netz von Datenstrecken zusammengeführt in größeren Knotenpunkte mit mehr Rechenleistung, interpretiert, und zurückgeführt. Dazwischen sitzen riesige Rechenzentren, die die großen Aufgaben übernehmen, Daten verwalten und lenken, künstliche Gehirne trainieren und komplexe wissenschaftliche Probleme lösen.
Doch diese Hoffnung auf eine den Menschen tragende, vernetzte Welt hat derzeit einen hohen Preis. Wenn der weltweite Energieverbrauch für Computing und Kommunikation mit der gleichen Geschwindigkeit zunimmt, wie bisher, wird er bereits 2040 die gesamte, weltweite Kapazität zur Energieproduktion einnehmen.
Über mehr als fünf Jahrzehnte galt in der Chipfertigung das sogenannte Moore‘sche Gesetz. Dieses besagt, dass sich durch rasante Weiterentwicklung der Technologie die Anzahl der Transistoren auf einer Fläche etwa alle 18 Monate verdoppelt. Prozessoren wurden durch die technisch anspruchsvolle Verkleinerung der Strukturen auf dem Chip schneller und kleiner. Rechenleistung wurde billiger.
Die Chipindustrie folgte – inspiriert durch das Moore‘sche Gesetz – über Jahrzehnte einer abgestimmten Roadmap, der International Technology Roadmap for Semiconductors (ITRS), die die jeweils nächsten Entwicklungsschritte für alle Teilbereiche festlegte, sodass alle Stakeholder bereit waren, immense Investitionen zu tätigen. Auf dieser Grundlage trieb dieser einzigartige Industriesektor den Fortschritt des Computings.
Das am weitesten verbreitete Rechenprinzip ist die von-Neumann-Architektur, deren zentrales Kennzeichen es ist, dass es einen gemeinsamen Speicher für Befehle und Daten gibt. Über einen einzigen Kanal wird sequentiell auf Daten und Programme zugegriffen. Durch den gemeinsamen Kanal, um dessen Bandbreite Befehle und Daten konkurrieren, entsteht jedoch ein Flaschenhals für die Leistung des Systems. Der typische universelle Computer, auf dem Schreibtisch oder in der Hosentasche, nutzt die von-Neumann-Architektur. Eine Lösung dieses Problems durch inkrementelle Hardwareentwicklung ist nicht absehbar. Der von-Neumann-Flaschenhals kann also nur durch grundlegend neue Computing-Konzepte beseitigt werden.
Neben Quantencomputing existieren mit neuromorphem Computing, analogem Computing und einer Reihe weiterer unkonventioneller Ansätze durchaus Alternativen zur von-Neumann-Architektur. Diese Ansätze befinden sich jedoch zumeist im Forschungsstadium und fristen dort – mit Ausnahme des Quantencomputings – ein Dasein in der Nische, abseits großer Förderprogramme oder Investitionen der Industrie. In Anbetracht der großen technologischen Herausforderungen und der damit einhergehenden Unsicherheiten in der Entwicklung dieser neuen Technologien, sind die nötigen Investitionen nicht nur mit hohem finanziellem Risiko verbunden. Sie müssten sich ebenso gegen Investitionsentscheidungen entlang des seit Jahrzehnten beschrittenen Innovationspfads behaupten. So wird die bisherige Stärke der Halbleiterindustrie – die Koordinierung der erheblichen Investitionen über eine gemeinsame Roadmap – nun zur großen Hürde für Veränderung.
Was fehlt, ist also nicht allein die Finanzierung von Forschung und Entwicklung neuer Computing-Konzepte. Es fehlt darüber hinaus ein Weckruf, der diejenigen aktiviert und zusammenbringt, die neue Computing-Konzepte Wirklichkeit werden lassen können. Diese Lücke füllt die Bundesagentur für Sprunginnovationen jetzt mit ihrer SPRIND Challenge zur Entwicklung und Realisierung neuer Computing-Konzepte.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Innovationswettbewerbe Kondensationskeime für die Entwicklung neuer Technologien und Industrien sein können. Als prototypisches Beispiel für Innovationswettbewerbe gelten die Grand Challenges der amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA). Diese Innovationswettbewerbe aus den 2000er Jahren haben zu einem Technologiesprung im Bereich des autonomen Fahrens geführt, der ohne die DARPA Challenges kaum möglich gewesen wäre. Auf dieser Grundlage sind nicht nur neue Akteure wie die Google Tochter Waymo entstanden, sondern es haben sich Technologien rund um autonome Systeme, wie etwa wie Lidar, grundlegend weiterentwickelt.
Damals wurde der Impuls zu tiefgreifendem technologischem Wandel nicht primär durch die etablierten deutschen Automobilhersteller aufgenommen, sondern durch amerikanische Technologiekonzerne wie Google. Dass die Automobilindustrie bislang nicht durch autonom fahrende Systeme amerikanischer Technologiekonzerne disruptiert wurde, zeigt nur, wie hoch die technologischen Hürden für diese Sprunginnovationen sind.
Entsprechend hohe Risiken bei der Entwicklung bahnbrechend neuer Technologien einzugehen, ist Auftrag der Bundesregierung an die SPRIND. Wir haben die Expertise, um aus Deutschland und Europa heraus neue Computing-Konzepte zu entwickeln und eine starke internationale Wettbewerbsposition aufzubauen. Die SPRIND Challenge „New Computing Concepts“ soll diese Entwicklung anstoßen. Der Erfolg ist nicht gewiss. Gerade deshalb ist es eine Aufgabe für die SPRIND.
Obwohl Computer unseren Alltag maßgeblich beeinflussen, bleibt ihre Funktionsweise für die meisten Menschen ein Rätsel. Deshalb will SPRIND mit Hilfe eines Comics mehr Menschen den Zugang zu diesem abstrakten aber wichtigen Thema öffnen. Dafür hat das SPRIND Team hinter der "New Computing Concepts“ Challenge gemeinsam mit der Comic-Essayistin Dr. Julia Schneider, aka Doc J Snyder, und der Illustration durch Noëlle Kröger „Overcoming the Flaschenhals“ geschaffen.