An der UniversitĂ€t erforschte Algorithmen brauchen Jahrzehnte bis in die reale Anwendung? Mit diesem Vorurteil können Alexander Wischnewski, Stephan Matz, Tim Stahl, Felix Nobis, Leonhard Hermansdorfer und Thomas Herrmann, die sich 2017 am Lehrstuhl fĂŒr Fahrzeugtechnik an der TU MĂŒnchen begegneten, aufrĂ€umen: Sie können buchstĂ€blich auf rasante praktische Tests ihrer Forschung zurĂŒckblicken. Unter der Leitung von Prof. Markus Lienkamp entwickelten sie Software zum autonomen Fahren bei bis zu 270 Kilometer pro Stunde und gewannen damit im Oktober 2021 sogar die Indy Autonomous Challenge, ein Autorennen fĂŒr fahrerlose Fahrzeuge zwischen internationalen UniversitĂ€ten in Indianapolis. In dieser Zeit erforschten die Doktoranden, die jeweils auf verschiedene Bereiche spezialisiert sind, jeden Winkel des autonomen Fahrens â und erkannten, was sie dringend besser machen wollen.
Das autonome Fahren ist in aller Munde, ein riesiges Thema fĂŒr die Automobilindustrie und eine der SchlĂŒsseltechnologien auch fĂŒr die MobilitĂ€tswende. Es kann Kosten sparen, dem ArbeitskrĂ€ftemangel im Kraftfahrbereich entgegenwirken und soll, auch durch Entzerrung von StoĂzeiten und BetriebsablĂ€ufen, im besten Fall kĂŒnftig weniger Staus und UnfĂ€lle bedeuten. Trotz beeindruckender Fortschritte in den letzten Jahren, wird die Technologie nach EinschĂ€tzung des Teams aus MĂŒnchen noch einiges an Entwicklungsressourcen brauchen, bis sie in allen Fahrzeugklassen und AnwendungsfĂ€llen eingesetzt werden kann. Im Dezember 2021 grĂŒndeten sie deshalb gemeinsam driveblocks und wollen mit ihrer Idee einen riesigen Sprung aus der Uni nach vorn in die Wirtschaft machen. Das Unternehmen fokussiert sich auf Nutzfahrzeuge, die beispielweise in der Logistik Hub-to-Hub, im Bereich Mining oder in Containerterminals unterwegs sind.
Die sechs jungen GrĂŒnder haben sich zum Ziel gesetzt, eine flexible, modular einsetzbare Softwarelösung zum autonomen Fahren zu entwickeln, âdriveblocksâ steht fĂŒr viele kleine Bausteine. âWir entwickeln Software, keine Fahrzeugeâ, betont GeschĂ€ftsfĂŒhrer Alexander Wischnewski, Experte fĂŒr Systemarchitektur in autonomen Fahrzeugen und zustĂ€ndig fĂŒr die technische Strategie, âund nĂ€hern uns dem autonomen Fahren damit aus einer völlig neuen Richtung.â Ăhnlich wie bei Smartphone-Apps sollen sich in Zukunft die benötigten Softwarekomponenten aus den Bereichen Objekterkennung, Entscheidungsfindung und Fahrfunktion flexibel zusammenstellen lassen. Um die notwendigen Sicherheitsstandards zu erreichen, braucht es dann prĂ€zise definierte Schnittstellen und hunderttausende Stunden an Erprobung in einer photorealistischen Simulationsumgebung. Die finale Absicherung findet weiterhin mit realen Fahrzeugen statt.
Kollaboration lautet bei driveblocks das Zauberwort. âWir möchten ein offenes Ăkosystem schaffen, das Fahrzeughersteller, spezialisierte Firmen, aber auch UniversitĂ€ten zur gemeinsamen Weiterentwicklung dieser Technologie befĂ€higt. Das Fundament dieses Ăkosystems soll dabei ĂŒber Open Source zur VerfĂŒgung gestellt und allgemein zugĂ€nglich gemacht werdenâ, schildert Stephan Matz, der zweite GeschĂ€ftsfĂŒhrer im Team, verantwortlich fĂŒr die Kommerzialisierung des Produkts. âEs ist teuer und ein langer Weg, die FunktionalitĂ€t des autonomes Fahrens weiterzuentwickeln, robust zu machen und abzusichern. Nur eine gemeinsame Anstrengung von spezialisierten Unternehmen und UniversitĂ€ten macht eine nachhaltige Entwicklung und somit den langfristigen Mehrwert fĂŒr die Gesellschaft möglich.â
Deutschland und Europa sind Vorreiter bei der Definition hoher Sicherheitsstandards im Bereich des autonomen Fahrens â diese können am besten erreicht werden, wenn das Wissen vieler Experten unterschiedlicher Fachdisziplinen vereint wird. DafĂŒr möchte das dynamische driveblocks-Team sein Wissen ĂŒber kĂŒnstliche Intelligenz sowie komplexe Algorithmen in die Anwendung bringen und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Technik erleichtern. Um sich diesen Zielen zu nĂ€hern, analysieren Wischnewski, Matz und ihre Co-GrĂŒnder nun im Auftrag der SPRIND das aktuelle Open Source-Ăkosystem und die Herausforderungen im Automotivbereich und untersuchen, auch gemeinsam mit den Zertifizierungsstellen, wie ihre Idee in Zukunft funktionieren könnte.
âWichtig ist uns, dass wir uns dem autonomen Fahren graduell nĂ€hern. Unser Ziel ist nicht, Nutzfahrzeuge sofort komplett zu automatisierenâ, erzĂ€hlt Stephan Matz engagiert, âwir orientieren uns an dem, was im Augenblick technisch machbar ist und können jederzeit Module ergĂ€nzen. Wenn fĂŒrs Erste kĂŒrzere Strecken, zum Beispiel auf dem FirmengelĂ€nde zur Beladung, nicht mehr von Fahrer:innen ĂŒbernommen werden mĂŒssen, ist das ein sinnvoller erster Schritt.â Das spiegeln den forschungsaffinen GrĂŒndern auch zahlreiche von driveblocks begeisterte Speditionen, die zunehmend Schwierigkeiten haben, genĂŒgend ArbeitskrĂ€fte zu finden.
Auf die Rennstrecke kehrt driveblocks nicht zurĂŒck. âFĂŒr uns war diese Zeit unglaublich lehrreich und sie macht unsere Technologie auf der StraĂe sicherer â gerade weil es um die Extreme ging: hohes Tempo und wahnsinnig kurze Reaktionszeitenâ, erinnert sich Alexander Wischnewski gern zurĂŒck. âWir nehmen all das Wissen mit und wollen jetzt wirklich etwas verĂ€ndern.â
Mehr ĂŒber driveblocks: driveblocks.ai