MARKENZEICHEN SOLLBRUCHSTELLE

aevoloop will Kunststoffrecycling planetensicher gestalten

Manuel Häußler
Philipp Kessler
Timo Witt
Carl Warkentin

Anfang 2021 feierte Manuel Häußler den bis dato größten Meilenstein seiner wissenschaftlichen Laufbahn: eine Publikation in Nature über komplett recyclebare Kunststoffe, die Nachhaltigkeit und Performance auf nicht gekanntem Niveau vereinen. Doch während die ganze Wissenschaftswelt ihm dazu gratulierte, wuchs in ihm der Unmut. Eine bahnbrechende Entdeckung, gemacht in den Laboren der Universität Konstanz, veröffentlicht in einem der wichtigsten Wissenschaftsmagazine – doch der Effekt für die reale Welt gleich null. Einfach weiterforschen und bestenfalls die akademische Karriereleiter emporklettern? Undenkbar. Jedes Interview zum Thema schürte den Frust. Um das Interesse der Industrie zu wecken, war es viel zu früh, doch für Manuel Häußler stand fest. Ich mache weiter, ich mache mich selbstständig und werbe Fördermittel ein.

Als er Philipp Kessler traf, bestens vernetzt in der Konstanzer Start-up-Szene und erfahrener Gründer, und einige Förderanträge bewilligt wurden, kam Fahrt in die Sache. Der Chemiker und der Betriebswirtschaftler taten sich zusammen und tüftelten weiter daran, wie sie die große Entdeckung marktfähig machen könnten. Wir möchten keine negative Story zu Kunststoffen erzählen, sondern vielmehr die positiven Aspekte beibehalten und sie zusätzlich nachhaltig machen, schildert Philipp Kessler, der schnell Feuer für Häußlers Idee gefangen hatte. Kunststoffe wurden in den 1950er Jahren erfunden, aber seitdem nie wieder grundlegend molekular verändert. Sie wurden einfach nicht für heutige Probleme designt, Recycling war kein Thema, diese immense Plastikflut nicht absehbar.

Mit bestehenden Materialien sei diese nicht mehr einzudämmen, sind sich Häußler und Kessler sicher, da beim herkömmlichen Recycling längst Materiallimits erreicht werden. Das wollen die beiden Gründer nun anpacken. 2024 haben sie aevoloop (unendliche Kreisläufe) gegründet, um planet-proof plastics herzustellen.

aevoloop

Zum einen fokussieren wir uns auf die Enabler-Technologie, um die Kunststoffe, die ich ursprünglich erforscht habe, günstig herstellen zu können. Damit sind wir 2023 auch bei SPRIND mit einem Validierungsauftrag gestartet, erklärt Manuel Häußler. Wir machen alten Plastikabfall wertvoll, indem wir durch eine Oxidationsreaktion die Kunststoffketten gezielt aufbrechen und dadurch wertvolle molekulare Bruchstücke entstehen. Dann ketten wir die neuen Bruchstücke wieder aneinander zu unseren neuen nachhaltigen Materialien und bauen in die neuen Polymermoleküle gezielt Sollbruchstellen ein. Diese stören in der Anwendung nicht, können jedoch in einem chemischen Recyclingverfahren gezielt wieder geöffnet werden. Die kleinen Bausteine sind somit designed for recycling und lassen sich immer wieder verwenden.

Dass sich aevoloops Kunststoffe mit herkömmlichem Plastik wie Polyethylen und Polypropylen messen können, davon ist ihr Erfinder absolut überzeugt: Entscheidend ist zum einen die Performance, hier sind wir vielseitig und konkurrenzfähig. Daneben setzen wir auf geschlossene Materialkreisläufe und auf die biologische Abbaubarkeit unserer Kunststoffe, um schädliches Mikroplastik zu vermeiden. Und durch unser Markenzeichen, die Sollbruchstellen auf molekularer Ebene, gibt es zudem keine Qualitätsverluste für immer neue Anwendungen.

aevoloop
aevoloop

Man könnte einen Schnuller aus unseren Kunststoffen machen und zum 18. Geburtstag wird ein Autositz daraus – und die molekularen Bausteine wären immer noch im gleichen Kreislauf.

Für die planetensicheren Kunststoffe von aevoloop sind schon in vielen Prototypen für potentielle Massenmärkte erprobt, so zum Beispiel Spritzguss, Textilien oder sogar 3D-Druck. Durch die Verträglichkeit mit konventionellen Kunststoffen ergeben sich darüber hinaus noch spannende Möglichkeiten für die Verwendung in Polymermischungen sowie für das Recycling. Auch für die Bruchstücke selbst, die als weißes Pulver aus der Oxidationsreaktion gewonnen werden, gibt es unzählige denkbare Anwendungen wie Reinigungsmittel, Beschichtungen oder Additive, sodass aevoloop diese dafür als Ausgangsstoff verkauft. Zudem sind wir in der Lage, neue Verpackungsideen mit kompostierbaren Materialien zu realisieren, wobei wir keinerlei Kompromisse in der Performance machen – im Gegensatz zu herkömmlichem Bioplastik, berichtet CEO Kessler. Wichtig ist auch, dass wir die bisherige Recycling- und Produktionsinfrastruktur nutzen können, wenn wir das Ganze groß aufgleisen.

Aus technologischer Sicht steht das Start-up aktuell kurz vor der nächsten Skalierungsphase, wofür unter anderem der Bau einer Pilotanlage auf dem Programm steht. Erste Kunden hat aevoloop bereits und immer mehr Pilotprojekte bahnen sich an. Finanziell ist das Start-up eines der ersten Projekte, das die neue Anschubfinanzierung von SPRIND in Höhe von einer knappen Million Euro erhalten hat; in Kürze steht eine Seed-Runde an, um bald auf eigenen Beinen zu stehen. Im Frühjahr 2025 ist das Start-up, das auf der Managementebene inzwischen von Dr. Timo Witt und Carl Warkentin komplettiert wird und insgesamt 14 Mitarbeiter zählt, von Konstanz nach Leipzig umgezogen – unter anderem wegen der Nähe zum neu entstehenden Center for the Transformation of Chemistry in Delitzsch und Merseburg.

aevoloop

Ohne SPRIND wären wir heute nicht da, wo wir sind. Wir haben neben der Validierung Ende 2023 auch an der ersten Stufe der Circular Biomanufacturing Challenge teilgenommen und sind immer noch in aktivem Kontakt zu den Mentoren. Außerdem erhalten wir tolle Kontakte zu möglichen Investoren und Kunden, erzählt Kessler. Der mehrfache Gründer ist stolz auf die Entwicklung, die aevoloop bisher nehmen konnte und überzeugt davon, dass in den Universitäten noch viel mehr große Schätze schlummern: So viel Wissen und Technologie, so viele Patente liegen dort ungenutzt. Ich würde jedem empfehlen, an den Unis zu suchen, wenn sie sich nach einer guten Idee umsehen. Und er findet: Es ist extrem schade, auch für die Gesellschaft und Wirtschaft, dass vieles nicht den Weg aus der Wissenschaft findet. Denn nicht jeder ist wie Manuel Häußler, der nicht nur gern Probleme im Labor löst, sondern diese auch gern in der Anwendung sehen möchte: Warum nicht Gutes erreichen mit dem, was man gern tut? Bei allem gesunden Realismus kann man auch einfach groß denken.

Mehr über aevoloop: aevoloop.com

aevoloop: Witt, Kessler, Häußer, Warkentin
Das Management-Team von aevoloop (v. l. n. r.): Timo Witt, Philipp Kessler, Manuel Häußler und Carl Warkentin

aevoloop kann weit mehr als nur minderwertige Kunststoffabfälle verwerten, die heute meist verbrannt werden. Mit ihren neuartigen Materialien hält das Team den Schlüssel in der Hand, um die Logik des linearen Produce-Use-Dispose-Systems grundlegend zu durchbrechen. Die entwickelte Technologie eröffnet den Weg zu einer wirklich zirkulären Kunststoffwirtschaft – unabhängig von fossilen Rohstoffen, ohne Qualitätsverluste – und birgt das Potential, eine ganze Industrie neu zu denken.

Unser heutiger Umgang mit Kunststoffen birgt erhebliche Risiken für Umwelt, Gesundheit und Klima, während die bestehenden Recyclingsysteme zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Gleichzeitig sind Kunststoffe aus unserem Alltag kaum wegzudenken: von medizinischen Anwendungen über Verpackungen bis hin zu Hightech-Produkten. Genau deshalb setzen wir uns für wirklich zirkuläre Lösungen im Kunststoffrecycling ein – mit dem Ziel, Kunststoffe auch in Zukunft verantwortungsvoll nutzen zu können: ohne Umweltbelastung und ohne Kompromisse bei Funktionalität und Qualität.

Langfristiges Ziel ist es, recycelte Kunststoffe als nachhaltigere Alternative zu neu produzierten Kunststoffen auf fossiler Basis zu etablieren – funktional und preisliche ebenbürtig. Gemeinsam haben wir dafür insbesondere das chemische Upcycling minderwertiger Kunststoffabfälle umfassend evaluiert. Auf dieser Basis unterstützen wir nun die Weiterentwicklung der Technologie mit einem Gründungszuschuss. Darüber hinaus unterstütz SPRIND das Team aktiv bei Aufgaben rund um das Venture Building und Fundraising – unter anderem durch die Einbindung in unser Netzwerk, gezielte Kontakte zu potentiellen Partnern und Investor:innen sowie durch Möglichkeiten, sich auf öffentlichen Bühnen zu präsentieren.

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Podcasts

#79 Manuel Häußler (3.6.2024)
44:51

Kann Bioplastik (fast) so gute Materialeigenschaften haben wie Polyethylen? Wie ließen sich Kunstoffe ohne Erdöl in Megatonnen bezahlbar herstellen? Und was hieße für die Chemieindustrie und die Kreislaufwirtschaft? Unser Host Thomas Ramge spricht mit Dr. Manuel Häußler vom MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung, sowie Gründer des Bioplastik-Startups Aevoloop.

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