PSYCHOGRAMM DER HIPOS

Techniksoziologe Thomas Ramge spricht im SPRIND Podcast alle 14 Tage mit Menschen, die Neues neu denken

WIE TICKEN SPRUNGINNOVATOR:INNEN? EMPIRISCHE STUDIEN HIERZU GIBT ES KAUM. ABER IM SPRIND PODCAST ERHEBEN WIR ZUMINDEST NÄHERUNGSWERTE.

Warum wurdest Du Wissenschaftler:in? Wie bist Du auf Deine grundlegende Entdeckung gestoßen? Und wie schaffst Du es nun, aus Deiner wissenschaftlichen Erkenntnis eine radikal bessere Lösung zu schaffen, die auch im Markt erfolgreich ist? Das sind drei Grundfragen, die ich unseren Gästen im SPRIND-Podcast regelmäßig stelle. Mein Ziel ist es, die Sprunginnovator:innen am Mikro ins Plaudern zu bringen, natürlich auch über ihre Innovation und die Technologie, aber vor allem über sich selbst, ihre Motivation, wo sie ihre Stärken und Schwächen sehen, was sie frustriert und was sie glücklich macht.

Intern bei der SPRIND nennen wir die radikalen Innovator:innen HiPos. Das hat nichts mit Nilpferden zu tun, sondern steht für High Potentials. Leider gibt es meines Wissens keine große Studie, welche die Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale von potentiellen Sprunginnovator:innen systematisch erkundet. In unserem Podcast sammeln wir aber zumindest anekdotische Evidenz zum Psychogramm der HiPos. Hochintelligent sind sie alle. Selbstverständlich können sie als begabte Wissenschaftler:innen abstrakt und kombinatorisch denken. Aber das scheinen uns eher Hygienefaktoren zu sein. Die Gespräche im Podcast, Tiefeninterviews im Zuge der Bewerbungsgespräche der SPRIND und auch die biografische Literatur zu den großen Erfinder:innen der Geschichte lassen auf mindestens fünf weitere Persönlichkeitsmerkmale bzw. Verhaltensweisen in hoher Dosis schließen.

Thomas Ramge

Fünf Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale von HiPos

HiPos entwickeln oft bereits in ihrer Jugend ein extremes Interesse an einem Spezialgebiet. Für andere scheint dieses Interesse oft die Grenze zur Obsession zu überschreiten. Befragt man Sprunginnovator:innen nach ihrem extremen Interesse mit der Bitte um Selbstreflexion, werden drei Muster erkennbar. Erstens können die so klugen HiPos meist nicht begründen, warum sie sich ausgerechnet für ihr Spezialgebiet so stark interessieren. Das kam halt so. Zweitens sehen sie die frühe Spezialisierung als Voraussetzung dafür an, dass sie auf ihrem Gebiet erfolgreich wurden. Und drittens mussten sie insbesondere in der Schule ihre frühe Spezialisierung oft verteidigen und wurden aufgefordert, andere Fächer oder Interessen nicht zu vernachlässigen. Dagegen haben sie sich dann erfolgreich gewehrt. Zum Glück für den technischen Fortschritt.

Die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin Angela Duckworth hat das Konzept des Grit in der Psychologie popularisiert. Diverse Studien der Arbeitswissenschaft zeigen, dass Biss und Ausdauer allgemein einer der wichtigsten Faktoren für beruflichen Erfolg sind. Für Sprunginnovator:innen scheint dies in noch stärkerem Maße zu gelten. Denn ihre Forschung und auch ihre Ausgründungserfahrungen sind geprägt von Rückschlägen. Warum? Weil jede:r Sprunginnovator:in einen wissenschaftlichen Konsens anzweifelt und dafür von den Kolleg:innen in der Regel stark negatives Feedback bekommt. Der Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell ist ein Musterbespiel hierfür. Kaum hatte Stefan seine bahnbrechende Entdeckung zur Beugungsgrenze von Lichtwellen in der Mikroskopie gemacht, bekam er in Deutschland keine Anschlussfinanzierung für seine Forschung. Er ging dann nach Finnland. Die Bedenken der wissenschaftlichen Zweifler zu überwinden, erfordert besondere Hartnäckigkeit. Und Ausgründungen aus dem deutschen Wissenschaftsbetrieb erst recht. Stefan ist heute nicht nur Direktor von zwei Max-Planck-Instituten, sondern auch der Gründer und Inhaber einer der Weltmarktführer für STED-Mikroskope, die auf seiner Entdeckung basieren.

Der Treibstoff des technischen Fortschritts ist Wissen. Genauer: geteiltes Wissen. Unsere Gäste im Podcast wirken im doppelten Sinne neu-gierig. Sie wollen als radikale Innovator:innen natürlich Neues in die Welt bringen. Aber sie sind auch gierig nach neuen Ideen und Informationen, die ihnen und ihrer Innovation nützen. Die Neugier – und die mit ihr verbundene Offenheit – unterliegen dabei einer interessanten Ambivalenz. Auf der einen Seite müssen die HiPos die konstruktiven Impulse von außen permanent aufnehmen. Zugleich aber dürfen sie sich nicht zu stark von den Zweifeln anderer beirren lassen. Auf uns wirken Sprunginnovator:innen daher oft in der Sache zugleich offen, jedoch bezogen auf die eigene Grundidee extrem selbstbewusst.

Gelingt ein großer Sprung in Wissenschaft und Technik, stehen oft einzelne Personen im Mittelpunkt: Marie Curie oder Robert Bosch, Jennifer Doudna oder Elon Musk. Wir Menschen lieben Geschichten mit Heldinnen und Helden. Wer einen großen Innovationsprozess einmal aus der Nähe beobachten durfte, weiß: Innovation ist ein Teamsport. Ein differenzierter Blick ist hilfreich. Die sichtbaren Innovationshelden haben oft die Fähigkeit, andere mit der Begeisterung für die eigene Idee anzustecken. Sie sind oft Rollenmodelle für moderne Führung. Sie inspirieren und ermöglichen jedem Einzelnen und hochmotivierten Teams, das Beste aus sich herauszuholen – im Sinne des gemeinsamen Ziels. Eitelkeit soll derweil ein Phänomen sein, das auch schon bei HiPos beobachtet wurde.

Grundlagenforscher:innen begründen ihr tiefes Interesse an Erkenntnis meist mit ihrem Interesse an Erkenntnis. Der Zirkelschluss ist in diesem Fall total fein. Mit dieser Haltung lassen sich Nobelpreise gewinnen. HiPos aber wollen mit ihrem Wissen eine Wirkung in der physischen Welt erzielen und sich dabei nicht ausschließlich auf andere verlassen. Als Wissenschaftler:innen machen sie eine Entdeckung, welche die theoretische Möglichkeit einer radikal besseren Lösung in sich trägt. Und dann gründen sie ein Start-up, das mit praktischer Wucht das Neue in die Welt bringt.

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