GRUNDSÄTZE FÜR EINE NATIONALE IP-STRATEGIE

SPRIND und weitere zentrale Akteure geben gemeinsam Empfehlungen für im Koalitionsvertrag verankerten Transfer von Nutzungs- und Schutzrechten in forschungsbasierte Ausgründungen

Das Grundsatzpapier ist eine gemeinschaftliche Veröffentlichung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), des Bundesverbandes Deutsche Startups e. V., des High-Tech Gründerfonds (HTGF), des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e. V. und des TransferAllianz e. V.

Die Bundesagentur für Sprunginnovationen, der Bundesverband Deutsche Startups e. V., der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der High-Tech Gründerfonds und die TransferAllianz begrüßen es, dass die neue Bundesregierung den Transfer von Nutzungs- und Schutzrechten (Intellectual Property Rights, kurz IP oder IPRs) in forschungsbasierte Ausgründungen explizit im Koalitionsvertrag verankert hat.

Angesichts im internationalen Vergleich schwacher Ausgründungszahlen aus der Wissenschaft und rückläufiger Patentanmeldungen in Deutschland sind hier ebenso schnelle wie weitreichende Maßnahmen erforderlich. Das bestehende Potential aus Forschung und Wissenschaft für Spin-offs besser zu nutzen, sollte durch das neue Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) prioritär vorangetrieben werden. Insgesamt geht es darum, bestehende Hemmnisse für Ausgründungen zu beseitigen, Verhandlungsprozesse an Hochschulen transparenter zu gestalten und neue Anreizsysteme zu schaffen. Der Professionalisierung sowie der Vereinfachung und Beschleunigung des IP-Transfers kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu.

Die geplante nationale IP-Strategie sollte als Rahmen dienen, IP-Transfer-Konditionen bundesweit zu vereinheitlichen und gründungfreundlich zu gestalten. Für einen Erfolg einer solchen IP-Strategie ist es notwendig, dass die für die Hochschulen zuständigen Landesministerien frühzeitig einbezogen werden, ebenso wie Hochschulvertreter:innen, Vertreter:innen der Transferstellen, Gründer:innen sowie weitere relevante Stakeholder. Auf die außeruniversitären Forschungseinrichtungen kann und sollte das BMFTR direkt einwirken.

Mit der Ausarbeitung der Strategie sollte in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung begonnen werden.

Für die im Koalitionsvertrag angekündigte nationale IP-Strategie empfehlen wir folgende Grundsätze:

Menschen im Gespräch

Bereits heute stellen Ausgründungen einen der wichtigsten Verwertungswege von Geistigem Eigentum aus wissenschaftlichen Einrichtungen in die Wirtschaft dar. Die Verwertung von Schutzrechten durch Ausgründungen aus Wissenschaftseinrichtungen sollte an Hochschulen als klarer Leistungsanreiz fest verankert und finanzielle Ressourcen durch die Zuwendungsgeber bereitgestellt werden. Neben potenziellen finanziellen Rückflüssen aus der Verwertung von Geistigem Eigentum können die Wissenschaftseinrichtungen unmittelbar durch den direkten Kontakt zum Startup-Ökosystem durch mögliche zusätzliche Drittmittelprojekte, Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs sowie eine positive Wahrnehmung der Wissenschaftseinrichtung in der Öffentlichkeit profitieren. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass das Auslaufen des WIPANO-Programms zur Förderung von Patentanmeldungen im Jahr 2023 nicht zu einem Rückgang von Transferaktivitäten und Patentanmeldungen führt. Das BMFTR kann hierfür systemintern neue Anreize setzen, indem Transfer- und Forschungsförderung konsequenter als bisher zusammengedacht werden. Dem H-Index als alleinigem Indikator für Forschungsexzellenz sollte dementsprechend ein I-Indikator (I für Impact) gleichwertig an die Seite gestellt, und der Impact durch den Ausbau nachhaltiger Transfer- und Gründungsunterstützungssstrukturen abgesichert werden.

Mit der VERORDNUNG (EU) 2023/1315 DER KOMMISSION vom 23. Juni 2023 wurde der EU-Beihilferahmen grundlegend überarbeitet und an die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa angepasst. Die Änderungen in Artikel 22 gehen explizit auf das wichtige Thema Ausgründungen ein und treffen konkrete Aussagen zur Ermittlung einer marktüblichen Bewertung. Darüber hinaus wird der erlaubte Förderhöchstbetrag bei der Förderung von Ausgründungen aus Wissenschaftseinrichtungen deutlich auf bis zu 1 Mio. Euro angehoben. Diese Anpassung des Beihilferahmens unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung, die die EU-Kommission Ausgründungen für den Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft und für das Wirtschaftswachstum insgesamt beimisst. Die nationale IP-Strategie sollte sicherstellen, dass zum Beispiel für die frühe Wachstumsphase ein vergünstigter Zugang zu Infrastrukturen und Core Facilities (zum Beispiel interne Preise), im Falle von Auftragsforschung ein reduzierter Overheadsatz gewährleistet und beim IP-Transfer an Ausgründungen anstehende Zahlungen gestundet werden können. Dadurch kann ein entscheidender Beitrag geleistet werden, um das heimische Start-up-Ökosystem zu beleben, ungenutzte und mit Steuergeldern finanzierte Hochschulpatente einer breiten Nutzung zuzuführen und sicherzustellen, dass Deutschland im europäischen Wettbewerb um die innovativsten Ausgründungen nicht an Boden verliert. Die kürzlich veröffentlichte Start-up- und Scale-up-Strategie der Europäischen Union kann hierfür weitere Anhaltspunkte liefern.

In der Frühphase von Spin-offs arbeiten Gründer:innen mit Hochdruck und begrenzten Ressourcen am Aufbau des Unternehmens und kämpfen um die Gunst der Investor:innen. Jeder Euro, der für diese entscheidenden Prozesse zusätzlich zur Verfügung steht, verlängert den Zeitraum bis zur nächsten Finanzierungsrunde und erhöht damit unmittelbar die Erfolgschancen der Ausgründung. Daher sollte der Liquiditätsabfluss aus Lizenzverträgen in der kritischen Anfangsphase minimiert oder gestundet werden. Die Ausgründungen erhalten dadurch mehr finanziellen Spielraum, und die Wissenschaftseinrichtungen reduzieren durch solche gründerfreundlichen Vertragsvarianten das Insolvenzrisiko der Ausgründungen. Die Einräumung einer direkten, mittelbaren oder virtuellen Beteiligung an der Ausgründung, inklusive der unternehmerischen Chancen und Risiken, erlaubt ein so genanntes back-loaded Deal-Modell. Bei diesem werden frühzeitige Zahlungsabflüsse zu Lasten der Gründer:innen und Investor:innen, beispielsweise nach dem Erreichen bestimmter Finanzierungsziele oder einem Exit, weitgehend vermieden.

Die typischen Vertragsbestandteile eines IP-Vertrages ähneln sich in den Ausgestaltungsvarianten. Durch die Formulierung typischer Regelungsinhalte in Standardklauseln kann eine kostensparende Vereinfachung, insbesondere für Erstgründer:innen ohne vorherige Berufserfahrung, leicht realisiert werden. Das ermöglicht eine faire und transparente Vertragsgestaltung, da Informationsdefizite schneller abgebaut werden können und wertvolle Verhandlungszeit in die Vertragsbestandteile investiert werden kann, die den individuellen Umständen der Ausgründung sowie den Interessen der Wissenschaftseinrichtung gerecht werden. Zudem werden so von vornherein Vertragsinhalte ausgeschlossen, die in späteren Finanzierungsrunden zeitaufwendig nachverhandelt werden müssten und ggf. Unternehmenswerte reduzieren oder vernichten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nachvollziehbarkeit und Transparenz bei der Ausgestaltung der Zahlungsströme. Werden verschiedene Vergütungskomponenten (Beteiligung, Lizenz, Meilensteinzahlungen etc.) vereinbart, sollten diese nachvollziehbar und transparent zueinander in Beziehung gesetzt werden. Eine gegenseitige Anrechenbarkeit der Zahlungskomponenten ist dabei unbedingt notwendig. Zu bedenken ist jedoch, dass mehrere Zahlungsströme die Komplexität des Vertragswerks und den damit verbundenen Prüf-, Bewertungs- und Verhandlungsaufwand insgesamt erhöhen. Eine Orientierung an internationalen Modellen (zum Beispiel AUTM oder USIT Guide) kann hilfreich sein, diese stellen jedoch nicht unbedingt eine Blaupause dar.

Gerade in der Ausgründungsphase kommt es auf die Geschwindigkeit der Umsetzung an. Ein Vertragsabschluss innerhalb von zwölf Wochen sollte realistisch sein. Dafür müssen beide Verhandlungsparteien fokussiert in die IP-Verhandlung gehen . Unter der Grundannahme, dass beide Parteien die Verhandlung unter der Maxime führen, das Erlöspotenzial für beide Seiten zu erhöhen und alle wertbestimmenden Faktoren uneingeschränkt offen zu legen, kann dieses Zeitziel eingehalten werden. Auf beiden Seiten müssen dafür ausreichend professionelle personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Hierfür ist auch ein dauerhafter Know-how-Aufbau zu IP-Transfer in den Wissenschaftsreinrichtungen notwendig, der zusätzliche finanzielle Mittel erfordert. Eine kurze Verhandlungszeit minimiert auch den Zeitraum bis zur Markteinführung und damit die Kapitaleffizienz der Ausgründung und den damit möglichen ersten Rückfluss aus dem Vertrag. Für den Fall von Störungen bei den Vertragsverhandlungen muss eine übergeordnete und von beiden Seiten akzeptierte Mediations- und Schlichtungsstelle eingerichtet werden, die eine rasche Einigung ermöglicht.

Die Übertragung von IP aus wissenschaftlichen Einrichtungen an Spin-offs muss unter Berücksichtigung der geltenden Gesetze und zu marktüblichen Bedingungen erfolgen. Das setzt voraus, dass beide Verhandlungspartner ihre Bewertungsparameter teilen und in einem strukturierten Prozess überprüfen. Grundsätze der Patentbewertung sind u.a. in der DIN 77100 beschrieben, Schiedssprüche des DPMA oder Lizenzdatenbanken liefern eine Vielzahl von Preisindikationen. Weitere Aspekte können aus dem Erfahrungsschatz der Wissenschaftseinrichtung, der Expertise beteiligter Patentanwältinnen oder Patentanwalte auf Basis von Marktinformationen aus dem Gründungsteam oder von an der Ausgründung unbeteiligten Investorinnen und Investoren eingebracht werden. Je umfangreicher die Datenbasis ist, desto präziser kann die Patentbewertung durchgeführt werden. Beide Verhandlungspartner sind angehalten, alle verfügbaren Informationen zur Bewertung offen zu legen. Andernfalls kann keine Preistransparenz und ausgewogene Verhandlung realisiert werden.

Von entscheidender Bedeutung für die praktische Anwendung ist darüber hinaus, dass die Informationsbasis bei den Rechnungshöfen verbessert wird. Hierauf sollte die nationale IP-Strategie unbedingt hinwirken. Laufende Projekte zum Aufbau von Deal-Datenbanken in der Patentverwertung werden insofern ausdrücklich unterstützt.

Bisher ist die Verankerung von IP-Transfer in entsprechenden Förderrichtlinien nicht einheitlich bzw. unterrepräsentiert. Die Steuerungsgruppe des Pilotprojekts ‚IP-Transfer 3.0 – Neue Wege im IP-Transfer‘ hat gemeinsam mit dem BMFTR (ehemals BMBF) hierzu entsprechende Textbausteine entwickelt. Diese sind bisher aber nur ein optionaler Bestandteil künftiger Förderrichtlinien mit Transferbezug. Wir befürworten eine verpflichtende Verankerung bei gleichzeitiger dynamischer Weiterentwicklung mit allen Stakeholdern.

Alle Infos zum IP-Transfer 3.0, dem Pilotprogramm der SPRIND, des Stifterverbandes und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung, sind auf der Projektseite zu finden.

Hier das Interview mit Barbara Diehl, Leiterin der Initiative IP-Transfer 3.0 bei der SPRIND, nachlesen.

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